Im Café ist die beteiligungsorientierte Ausstellung unseres Projekts zu sehen. Bewohner*innen stellen dort persönliche Objekte und deren Geschichten in Kisten (Beziehungskisten) aus. Gezeigt werden Familiengeschichten und persönliche Erinnerungen. Oder sie gestalten selber eine Kiste mit einer persönlichen Geschichte. Dazu gibt es jeden Dienstagnachmittag eine offene Werkstatt, zu der Interessierte kommen können. So wird die Ausstellung nach und nach erweitert. Außerdem können wechselnde Fototapeten thematisch bespielt werden. Unsere letztenThemen waren: „Urlaub vom Alltag“, „Wünsche für die Zukunft“ und „Meine Stärken“. Die Ausstellung zeigt die während dieser Fotoaktion entstanden Fotopostkarten dazu.
Familienfeiern
im September haben wir im Hof der Siedlung in unserem mobilen Wohnzimmer mit Bewohner*innen Gespräche geführt. Viele haben uns erzählt, wie sie ihre Familienfeste feiern oder früher gefeiert haben. Von großen Familienfeiern bis hin zu Menschen, die nicht mit ihrer Familie feiern oder dies mit ihren Feunden tun, waren viele Themen dabei. Alle haben ihre Erinnerungen und Assoziationen auf Tafeln festgehalten, die in unserer Ausstellung zu sehen sind.
Familie, Beziehungen und Zusammenleben – eine Ausstellung mit Zeichnungen und Piktogrammen zusammen mit migrantas e.V.
im September haben Bewohner*innen aus der Lenzsiedlung und Umgebung ihre Gedanken und Gefühle zum Thema Zusammenleben in Form von Zeichnungen zu Papier gebracht. Dazu haben wir das Kollektiv migrantas gewinnen können, die diese Workshops durchgeführt haben. In unserer Ausstellung sind sowohl die Originalzeichnungen der Teilnehmer*innen zu sehen, als auch die daraus entworfenen Piktogramme von migrantas. Die Themen der Teilnehmer*innen sind als großformatige Plakate auf Litfaßsäulen in Hamburg zu sehen. In der Ausstellung gibt es außerdem Postkarten, Plakate und Stofftaschen mit den Piktogrammen zum Mitnehmen.
Familienbilder- Litfaßsäule, Geschichten aus der Siedlung
Im Album Familienbilder und auf unseren Litfaßsäulen in der Lenzsiedlung werden nach und nach Familienfotos unterschiedlicher Art gesammelt bzw. ausgestellt. Zu allen Fotos gibt es Geschichten, Anekdoten und Erinnerungen. Die Bilder zeigen Hochzeiten, Freizeit- und Alltagsszenen oder Arbeitsszenen. Je nach dem, was die Bewohner*innen der Siedlung zeigen möchten.
Ich bin in den 1970er Jahren in einem Drei-Generationen-Haushalt auf dem Land in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen. Das war fast sowas wie ein 50er-Jahre-Deutschland, von der Art und Weise des Zusammenlebens und des Wirtschaftens, viel wurde z.B. noch in Handarbeit hergestellt. Das Bild zeigt Olga, die Kakaokuh. Sie war die einzige Rotbunte, die wir hatten und die einzige der vier Kühe, die einen Namen hatte. Die Kinder auf dem Bild sind mein Bruder, ein Cousin, eine Cousine und ich. Außerdem sind mein Opa und mein Vater zu sehen. Das Bild hängt auch neben meinem Schreibtisch im Büro. Ich mag es, weil es am stärksten das Gefühl ausdrückt, was ich in Kinderzeiten so rückblickend hatte. Es ist so ein bisschen heile Welt, auch wenn das mit dem Heranwachsen zum Jugendlichen schnell umgeschlagen ist und ich mir ge-wünscht habe, mobiler zu sein und mehr rauszukommen.
Auf dem Bild ist meine Oma. Da ist sie so alt wie ich jetzt bin, 86 Jahre. Meine Oma war der liebste und wertvollste Mensch der Welt für mich in meinem langen Leben. Sie kam aus Bayern und sagte immer: Hier hast du ein Bolschi (ein Bonsche). Sie hat mich begleitet von Baby an bis ich sie begraben habe. Das war so schön als ich hier durch den Hof ging und das Foto an der Litfaßsäule sah: Da saß dann meine Großmutter. Das kam wie vom Himmel, dass die Sonne genau auf das Bild drauf schien. Ich freue mich, dass sie da hängt, ich kann sie jetzt immer besuchen. Dann guckt sie mich an und denkt „Na Kleine, bist du wieder da, ist ja nett, dass du kommst“.
Christa, 12 Jahre alt in Poppenbüttel. Das Foto wurde 1946 vom Schulfotografen aufgenommen. Das Kleid hat meine Mutter aus Bettwäsche selber genäht.
Christa und Marion, Geschwister aus Poppenbüttel, 1940
„Sophie war mein guter Engel“ Mit meiner Adoptivmutter 1949 in Leningrad
dies ist ein Wagen für die Traubenernte mit einer Kiste. Bei der Ernte haben alle geholfen, dann wurde der Wagen ins Dorf gefahren. Dort haben zwei Mädchen die Trauben mit den Füßen gestampft, um sie auszupressen. Der Saft ist durch ein Loch abgelaufen, das unten in der Kiste war. Zur Erntezeit riecht das ganze Dorf gut nach den süßen Trauben. Aus dem Saft wird Traubensirup gemacht, der für Süßspeisen benutzt wird. Das Bild ist 22 Jahre alt, es ist bei meinem ersten Heimaturlaub ent-standen, nachdem ich nach Deutschland gezogen bin. Meine älteste Tochter ist auf dem Bild als kleines Mädchen zu sehen.
Meine Großeltern und Eltern im Garten des Hauses meiner Großeltern in Tonndorf (26.8.1930). Das Foto wurde als Postkarte an die Familie verschickt.
Das ist meine Mutter, Meine Eltern hatten mit mir acht Kinder und das war eine tolle Familie. Meine Eltern sind beide schon gestorben, meine Mutter vor 16 Jahren und mein Vater 2008. Ich vermisse sie immer noch, deshalb habe ich die Bilder von ihnen ausgesucht. Mein Vater hat für die Polizei in Ghana gearbeitet, er war ein starker Mann. Jedes Jahr musste er in einer anderen Region arbeiten und die Familie ist immer mitgezogen. Ich bin z.B. in Ashanti-Kumasi geboren. Meine Mutter war Schneiderin, das Kleid auf dem Bild hat sie selber gemacht. Sie war eine schicke Frau. Das rote Zeichen auf ihrer Stirn habe ich auf das Foto gezeichnet. Das ist in Afrika üblich, wenn eine Person nicht mehr lebt. Einige meiner Geschwister sind schon gestorben. Die anderen leben in Ghana, Belgien und Österreich, ich bin die einzige, die in Deutschland lebt. Ich habe meinen Geschwistern von den Bildern an der Litfaßsäule erzählt: Unsere Eltern sind jetzt Stars.
Meine Eltern auf dem Groß- Venediger Gipfel (3674m) in Österreich 1961
Das Bild ist eigentlich meine Kindheit. Wir waren viel draußen, sind auf Bäume geklettert. Wir haben mit dem gespielt, was wir gefunden haben – aus Steinen Häuser gebaut, Puppen aus Hölzern und Stoff selbst gemacht. Wir haben auch schon mit drei, vier Jahren mitgeholfen, z.B. bei den Hühnern Eier suchen oder auf die Schafe aufpassen. Wir haben hauptsächlich das gegessen, was wir angebaut haben. Jetzt ist das für mich Freiheit. Damals dachten wir immer, wir leben in Armut, aber wir haben eigentlich in Freiheit und Reichtum gelebt. Als Kind verstehst du das nicht. Aus meiner Kindheit gibt es keine Fotos, an viele Sachen wie Batterien und Kamera kam man damals im Krieg im kurdischen Gebiet Ost-West nicht ran. Das Bild ist vor ein paar Jahren entstanden, aber es hat sich seit meiner Kindheit nichts geändert. Mein Onkel lebt dort immer noch und ich fahre dort regelmäßig zu Besuch hin. Vor zwei Jahren habe ich dort vier Monate mit meinen Kindern gelebt und die Kinder haben irgendwann gesagt, Mama jetzt reicht es.
Dies ist die Hochzeit des Cousins meines Vaters. Das war ungefähr 1990, als ich 14 oder 15 Jahre alt war. Es sind die ältesten Bilder, die ich habe, deshalb habe ich sie ausgesucht. Mein Vater hat auf Anfrage den Hochzeitsumzug organisiert. Vier junge Männer haben sich als Kamel verkleidet und vier andere als Frauen. Dann sind alle zusammen zum Haus der Braut gegangen und haben diese abgeholt. Der ganze Hochzeitszug bringt die Braut dann zum Haus des Bräutigams. Meiner Vater hat oft diese Hochzeitsumzüge organisiert, aber nicht bei meiner Hochzeit. Da war er traurig. Mein Vater und auch einige andere Leute, die auf den Bildern zu sehen sind, sind schon tot. Deshalb wecken die Bilder bei mir schöne und traurige Erinnerungen.
Das Foto zeigt die Männer aus meiner Familie beim Fischfang während eines Ausflugs in der Nähe unseres Dorfes. Mein Vater steht im Wasser und treibt die Fische Fluss aufwärts wo ein weiterer Mann diese Fische dann mit der Hand fängt. Ich fahre jedes Jahr mit meiner Familie in die Türkei und fahre dann auch an diesen See, um dort Fische zu fangen. Die Fische bereiten wir dann direkt vor Ort zu und essen sie.
Meine Urgroßeltern Fittinghoff um 1910 in Lünen in Nordrhein- Westfalen
Das Bilder zeigt meine Großeltern mit ihren Kindern, meine Mutter und ihre Brüder. Das Bild ist 1953 im Iran aufgenommen worden. Meine Großeltern waren aktive Mitglieder in der kommunistischen Partei, haben geholfen und viel organisiert. Die Partei war gegen den Schah und hat versucht ihn zu stürzen, aber der Putsch ist nicht gelungen. Meine Großeltern sind 1953 in die Sowjetunion geflüchtet und sind 10 Jahre dageblieben. Mein Großvater hat gemerkt, die kommunistische Partei hat gelogen. Sie hat ein Paradies versprochen, aber es war ein Traum. Das war alles nicht wahr, sondern ein diktatorisches Regime. Mein Großvater hat dann einen Brief in den Iran geschickt und beantragt, dass die Familie in den Iran zurückkommen kann. Dem hat der Schah zugestimmt und die Familie konnte nach Teheran zurückziehen. Ich habe das Foto für die Litfaßsäule ausgesucht, weil es kein normales Foto ist. Mit der Flucht und der Politik hat es eine Bedeutung und Geschichte. Für mich ist das etwas Besonderes, weil meine Großeltern versucht haben, was Gutes zu machen. Aber sie haben es nicht geschafft, weil sie sich getäuscht haben.
Elionore Heiman, 1954 im Garten ihrer Eltern in Wuppertal. Sie ist ca. 20 Jahre alt
Oma und Opa (mütterlicherseits) zwischen 1928-1931 irgendwo unterwegs beim Schallern. Meine Großeltern sind zu Fuß durch Norddeutschland gezogen, teilweise auch mitgenommen worden. Sie haben Musik gemacht, um Geld zu verdienen.
Das Bild von meinem Vater müsste Anfang der 1950er Jahre entstanden sein, denn die KPD wurde 1956 verboten. Mein Vater war aktiv in der KPD und das Auto war vermutlich ein Parteiauto. Mein Vater ist 29 Jahre alt. Er hat für die Zeitung „freies Volk“ geschrieben und hat später aufgrund seiner KPD Mitgliedschaft Berufsverbot bekommen.Ich mag das Foto von meinem Vater gerne: die Luftballons, das alte, schicke Auto, der 50er Jahre-Charme, die Kommunisten. Mein Vater steht da so lässig, ich habe ihn nicht so lässig erlebt. Das Foto entstand weit vor meiner Geburt. Meine Eltern waren bei den Naturfreunden, sie hatten ein Motorrad mit Beiwagen und sind viel durch die Gegend gefahren. Das war für sie eine gute Zeit, der soziale Kontext in dem sie sich bewegt haben, hat gepasst.
Meine Uroma (mütterlicherseits) so um die Jahrhundertwende des letzten Jahrhunders, sehr wahrscheinlich in Neuss. Es gibt viele Legenden, die sich um meine Oma ranken.
Das Bild ist 1985/1986 entstanden, die Frisur ist ein Popperschnitt der 80er Jahre. Ich habe da mein Schulpraktikum in der Sportabteilung im Alsterhaus gemacht. Das war ganz gut, eine lustige Zeit. Damals stand ich so auf Fußball und als Dankeschön haben sie mir ein Trikot geschenkt, von Deutschland. HSV-Fan bin ich auch. Meine Familie und meine Freunde mussten mich hier auf der Litfaßsäule erst mal suchen. Nur eine meiner Töchter hat mich an den Augen erkannt und am Gesicht. Sonst hat mich keiner wiedererkannt.
Auf dem einen Bild ist mein Opa zu sehen, auf dem anderen mein Opa und sein Bruder. Mein Opa ist Armenier und hat während des zweiten Weltkriegs 4 Jahre in Berlin gelebt. Er hat immer gesagt „Ihr müsst einmal nach Deutschland reisen“, weil er es hier so schön fand; die Menschen so korrekt und die Städte so sauber. Er hat nicht mehr erlebt, dass ich sogar nach Deutschland gezogen bin. Zu seinem Bild an der Säule sage ich: „Jetzt bist du hier und ich bin hier“. Ich habe dieses Bild ausgesucht, weil mein Opa ein Vorbild war. Er und sein Bruder waren Familienmenschen und haben die Kinder gut erzogen. Alle Kinder sind etwas geworden, jedes hat einen Beruf und macht etwas. Es gibt kein Kind, das nicht studiert hat. Das macht mich stolz. Die beiden Opas haben immer draußen gesessen und wir Enkelkinder zu ihren Füßen. Wir haben zugehört, was sie zu erzählen haben, das war immer heilig für uns. Was für mich wichtig ist letztendlich, wie du deine Kinder erziehst und alles beibringst, das ist keine einfache Sache. Die Opas haben das super gut gemacht. Schade, dass es heute nicht mehr so viele Menschen gibt, von denen du immer wieder lernen kannst.
Fotoreisen „Urlaub vom Alltag“, „Wünsche für die Zukunft“, „Meine Stärken“
Das sind die Motos unserer Fotoreisen zu der sich Bewohner*innen mit Familie und Nachbarn in Positur gebracht haben. Die zu diesen Themen entstandenen Postkarten konnten anschließend als kleine Alltagsgrüße verschickt werden. In der Ausstellung sind die Postkarten in Form von Plakaten und Fotoalben sowie den dazugehörigen schriftlichen Äußerungen zu sehen. Hier eine kleine Auswahl der Fotopostkarten und Notizen.